Wörtherseemandl

Bronzestatue des Wörtherseemandls von Künstler Heinz Goll 

Es wird in einer Sage von einer Stadt mit prächtigen Häusern erzählt, die vor vielen hundert Jahren sich dort befunden haben soll, wo heute der Wörthersee liegt. Wie es so oft kam, waren die Bewohner durch ihren Reichtum übermütig geworden.

So geschah es, dass sie sich einst am Vorabend eines Osterfestes zu Tanz und Gelage versammelten. Schon zeigte Glockengeläute die späte Stunde an, doch niemand kümmerte sich darum. Da öffnete sich die Türe des Festsaales und herein schritt ein kleines eisgraues Männchen und blickte verwundert auf die lärmende Gesellschaft. Grollend erhob es seine Stimme: „Oh ihr Schwelger, wisst ihr nicht, welche Feier wir morgen begehen? Kehret heim, ehe die Stunde der Buße verrinnt und die Strafe euch erreicht.“ Aber nur höhnisches Lachen antwortete ihm, und nur noch wilder wirbelten die Paare im Tanz. 

Wenige Minuten vor Mitternacht betrat der Alte zum zweiten Mal den Saal, aus dem das wüste Geschrei der Trunkenen tönte. In seinem Arm hielt er ein Fäßchen. Noch einmal mahnte er zu Umkehr und Buße. „Sonst öffne ich den Hahn des Fässchens, und Tod und Verderben kommt über euch.” Wieder antwortet ihm nur rohes Gelächter. Da schlägt es Mitternacht, alle Lichter erlöschen, die Mauern erzittern, Regen stürzt hernieder und ein furchtbares Gewitter bricht los. 

Mit offenem Hahn liegt das Fässchen des verschwundenen Männchens, endlose Fluten entströmen ihm. Sie dringen in alle Räume und strömen fort, bis sie die ganze Stadt und die ganze Gegend überschwemmt und ihre frevelnden Bewohner ertränkt haben. So entstand der Wörthersee. Städte, Kirchen und Dörfer liegen in seiner unergründlichen Tiefe begraben, riesige Fische und Wasserschlangen hausen in den alten Palästen.

In Kärnten ist das Wörtherseemandl unter der Bevölkerung sehr bekannt. In der Stadt Klagenfurt steht nahe des Brunnens in der Kramergasse ein Denkmal der Sagenfigur, siehe Bild.

Quelle: Franz Pehr: Kärntner Sagen, Klagenfurt 1913